(v.l.) Ali-Aygün Kilincsoy (AStA Uni Bremen), Paul Kreiner (Fort Bildung), Übersetzer, Jorge Murúa (Bundesvorstand der chilenischen CUT), Karol Cariola (Soziale Bewegungen), Übersetzerin, Camila Vallejo (Vize-Präsidentin des chilenischen Studierendenverbandes)
Vor der Leistung der chilenischen BildungsaktivistInnen kann man nur den Hut ziehen: Millionen Menschen haben sie auf die Straße gebracht, einen Bildungsminister zum Rücktritt gezwungen, eine ganze Regierung blamiert. Vergangenen Freitag waren VertreterInnen der chilenischen Protestbewegung in Bremen und berichteten, wie sie das geschafft haben. Das uFaFo war dabei und hat gut zugehört.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass einige der bekanntesten Gesichter der lateinamerikanischen Bildungsproteste der vergangenen Jahre nach Bremen kommen, um über ihre Arbeit zu sprechen. Auf Einladung der Rosa Luxemburg-Stiftung touren sie momentan durch Europa. Darunter wohl eine der bekanntesten Kommunistinnen Chiles, Camila Vallejo. Der Andrang war enorm. Die Größe des Raumes reichte bei weitem nicht aus, um alle Interessierte unterzubringen. Unter den Gästen waren auffällig viele lateinamerikanische Studierende, aber auch Schülerinnen und Schüler, bunt und lebensfroh gekleidet. Zur Begrüßung ließ der DGB, in dessen Räumlichkeiten die Veranstaltung stattfand, chilenische Folkloremusik aufspielen. Es gab chilenische Speisen, Wein und einen Hauch Revolution.
Gegen den Neoliberalismus
Camila Vallejo, die Vize-Präsidentin des chilenischen Studierendenverbandes, Karol Cariola, Vertreterin der sozialen Bewegungen in Chile und Jorge Murúa, chilenischer Gewerkschafter, berichteten nicht nur aus der Zeit des Höhepunktes des Aufstandes der Studierenden und SchülerInnen, sondern auch über die Motive, die sie antrieben. Sie verurteilten den Neoliberalismus und dessen Auswirkungen auf die öffentliche Infrastruktur: Die Privatisierung öffentlicher Güter, die Vertiefung der Spaltung zwischen Arm und Reich, die Ökonomisierung des Denkens, den Qualitätsverlust im Bildungswesen. Stolz erzählten sie, dass sie nicht nur für bessere Bildung auf die Straße gingen, sondern auch für soziale Gerechtigkeit und Demokratie. Dabei gingen die „Erben Allendes“ wie sie von einem Gewerkschafter gegen Ende der Veranstaltung genannt wurden, auch auf die faschistische Vergangenheit Chiles ein und betonten ihre Forderung nach einer Verfassungsreform, um die letzten Reste der Gesetzgebung Pinochets loszuwerden. All ihre Forderungen sind noch nicht umgesetzt. Sie zeigten sich entschlossen, das zu ändern. Eine solche Entschlossenheit wünscht man sich, wenn man an den deutschen Bildungsstreik denkt, auch in Deutschland.
Generalstreik in der BRD?
Was sich wohl der Moderator des DGB gedacht hat, als die chilenischen Studierenden erklärten, dass es ein landesweiter Generalstreik war, der ermöglichte, dass die werktätigen Massen an der wichtigsten Demonstration in der Hauptstadt gegen die faschistische Verfassung und die Ungerechtigkeit im Bildungswesen teilnehmen konnten? Vielleicht hat er sich an seinen DGB-Chef Michael Sommer erinnert, der in der ZDF-Sendung „Pelzig hält sich“ am 29.11.2011 (ab Minute 40, „Die deutschen Gewerkschaften werden nicht der Hort der Revolution werden.„) Kanzlerin Merkel lobte und einen bundesweiten Streik konsequent ausschloss. Fragen konnte man ihn allerdings nicht, denn Nachfragen aus dem Publikum waren im Konzept der Veranstaltung leider nicht vorgesehen.
Wo bleibt der Funke?
Ob nach dem Besuch der ChilenInnen der revolutionäre Funke überspringt, kann gewünscht aber auch bezweifelt werden. Auch deshalb, weil die Tat was anderes ist als mit Rotwein in der Hand der Revolution zu lauschen. Die ChilenInnen haben in ihrem Land erfahren, was der soziale Fortschritt kosten kann, nämlich getötet, geschlagen, diffamiert und mit Wasserwerfern von der Straße gefegt zu werden. Aber sie haben auch aufgezeigt, dass es geht, wenn man standhaft bleibt und eine Gesellschaft die Ziele ihrer eigenen Kinder unterstützt.
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1 Kommentar zu Revolution auf Reisen
Jörg Rostek
21. November 2012 um 17:52 Uhr
Bildungsproteste in Chile gehen weiter!
http://wissen.dradio.de/chile-mit-notizblock-fuer-die-menschenrechte.37.de.html?dram:article_id=227203